Warum es so schwer ist, Zivilcourage zu zeigen.

Lesezeit: ca. 3 Minuten

Da gab es mal eine Homestory im SPIEGEL vom 8. September 2018, in der sich ein gewisser Bartholomäus von Laffert zu dem Thema Zivilcourage geäußert hat.
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Ob die Geschichte wirklich stimmt und sich der Vorfall wirklich so zugetragen hat, weiß natürlich nur der Autor. In Zeiten von Fake-News, auch beim SPIEGEL, könnte sich die Geschichte natürlich auch nur so ähnlich zugetragen haben und/oder der Autor hat etwas dazu erfunden oder weg gelassen.

Mich hat allerdings die Intention gestört, mit der dieses Thema von Herrn von Laffert dargestellt wurde und welche Erwartungshaltung dieser Herr anscheinend an seine Umgebung hat.
Wie immer war die Story nett geschrieben, dramaturgisch gut aufgebaut und hatte wohl in den Augen von Herrn von Laffert auch eine Aussage. Allerdings habe ich die Geschichte irgendwie als unangemessen empfunden.

Ich habe darauf am 13.09.2018 einen Leserbrief an den SPIEGEL geschrieben, welcher weder beantwortet noch im SPIEGEL veröffentlich wurde.
Deshalb gehe ich davon aus, dass es ok ist, wenn ich den Inhalt dieses Leserbriefes in diesem Blog veröffentliche.

Hier der Text meines Schreibens:

Sehr geehrter Bartholomäus von Laffert,

Was für ein Name, ich erschauere schon beim Lesen… 😉

Bei Ihrer Homestory ist mir unwillkürlich die Frage in den Sinn gekommen, wie wohl der ‚arme kurzbehoste Bartl‘ sich verhalten hätte, wenn die ‚rasierte Biertrinkende Bomberjacke‘ einen anderen Fahrgast angepöbelt hätte.
Wäre er dann aufgestanden und hätte, wie weiland Bud Spencer, dem Typen eine Kopfnuss verpasst und Ihn gezwungen, die Spucke vom Bein des Anderen wieder abzulecken?

Ich vermute mal stark, Ihre Reaktion wäre auch nicht anders ausgefallen, wie die, die sie gezeigt haben, als es Sie selber betraf.
Was erwarten Sie von anderen, was Sie nicht mal für sich selber zustande bringen?
Evtl. hatten die Anderen auch gerade ‚keine Mittel, keine Worte und keine richtige Reaktion‘.

Persönlich finde ich, zumindest etwas verbale Gegenwehr von Ihrer Seite wäre angebracht gewesen. Aus meiner Erfahrung sind gerade solche Typen mit so etwas durchaus zu beeindrucken.
Aber natürlich nicht dadurch, dass man sich wortlos abwendet und auf die Reaktion von anderen wartet.
Da muss man dann schon etwas Zivilcourage, auch für sich selber, aufbringen…
Aber es ist wahrscheinlich für Sie einfacher ‚Wut auf die Leute, die nichts getan haben‘ zu empfinden als auf sich selber (der ja auch nichts getan hat).

Sehr fragwürdig dann Ihre weiteren Ausführungen und Recherchen zu dem Thema.
Als Vorbilder zwei Tote zu benennen. Geht’s noch! Was wollen Sie denn damit erreichen?
Das sich jeder vor dem nächsten Mal ‚Zivilcourage zeigen‘ überlegt, dass es jetzt um sein Leben gehen könnte.
Evtl. sollten Sie zukünftig mal die Zeit, die Sie sonst für ‚blödsinnige Recherchen verbraten‘, in einer Mucki-Bude verbringen, um Ihr Rückgrat zu stärken.

Die billige Genugtuung in den letzten Sätzen des Artikels setzt der ganzen Story dann ‚die Krone auf‘.
Wo war denn Ihre Zivilcourage und Ihr beherztes Eingreifen beim Werfen einer Bierflasche, was durchaus zu ernsthaften Verletzungen führen kann.
Da ist Spucke am Bein doch um Größenordnungen ungefährlicher.
Immerhin gab es dann ja doch noch jemanden mit einer Art von Zivilcourage…, wobei Gewalt für mich in keinster Weise!! zu befürworten ist.

Ich hoffe, dass wir alle zukünftig Zivilcourage zeigen und zu allem den Mund aufmachen, was uns als Unrecht erscheint. Auch, wenn es einen selber betrifft.
Und wenn es dann trotzdem mal nicht klappen sollte: Spucke am Bein kostet nur ein wenig vom eigenen Selbstwertgefühl und nicht gleich das Leben eines anderen…

Generell würde ich Ihnen und dem SPIEGEL vorschlagen, lieber eine Seite weniger zu drucken als so eine hanebüchene Geschichte und Ihre jämmerlichen Einlassungen dazu.

In Zukunft Hochachtungsvoll,

Sharky

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